Bauern und Almen in Südtirol
Südtirol ist ein Bauernland mit langer Geschichte und Tradition. Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts regelte eine Landesverordnung das freie Eigentum der Bauern in Südtirol, während in ganz Europa noch teils bis ins 19. Jahrhundert ihren Ertrag an die Gutsherren abgeben mussten. Im Jahre 1848 wurde die Grundherrschaft mit kaiserlichem Patent dann endgültig aufgehoben.
Heute gibt es in Südtirol ca. 20.000 landwirtschaftliche Betriebe. Der Großteil davon sind geschlossene Höfe, von denen ca. 80% kleine bis mittlere Familienbetriebe sind. Das Besondere an geschlossenen Höfen ist, dass sie nur als Ganzes vererbt bzw. verkauft werden können. Sie sind darauf ausgerichtet, eine vierköpfige Familie zu ernähren. Die Südtiroler Bauern sind traditionell in Genossenschaften organisiert, deren Einrichtung bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche in Südtirol beträgt ca. 250.000 Hektar und ist über das ganze Land verteilt, vom Tal bis in die hohen Lagen an der Waldgrenze.
Bergbauern und Talbauern
In Südtirol leben heute noch mehr als 10.000 Menschen auf Bergbauernhöfen, wo in den extremen Steillagen Viehwirtschaft und Ackerbau betrieben werden. Die Arbeitsprozesse sind in diesen Lagen ungleich aufwendiger, denn Maschinen können in den steilen Hängen häufig gar nicht eingesetzt werden. Dennoch verlassen die Bauern ihre Höfe nur in den seltensten Fällen. Die Gründe dafür liegen nicht nur bei den Europäischen Fördergeldern zum Schutz der Bergbauern, auch die Bergbauern selbst werden immer kreativer und erweitern ihr Angebot um handwerkliche Produkte und Lebensmittel, die entweder verkauft oder in angeschlossenen Gaststätten Touristen und Einheimischen direkt angeboten werden.
In den Tälern ist das Leben der Bauern natürlich etwas einfacher, hier ermöglicht das Klima den Anbau von Äpfeln und Wein auf mehr oder weniger gerade liegenden Flächen.
Ungefähr die Hälfte aller Südtiroler Bauern hat sich auf die Apfel- und Weinproduktion spezialisiert. Vom Vinschgau bis ins Südtiroler Unterland wachsen heute mehr als 13 verschiedene Apfelsorten. In Südtirol betreiben rund 7.500 Bauern erwerbsmäßigen Obstanbau, wobei die durchschnittliche Betriebsgröße mit ca. 2,5 Hektar relativ klein ist. Vor allem in den letzten Jahren werden auch wieder häufiger traditionelle Lebensmittel entdeckt und vermehrt seltenere Obst- und Gemüsesorten, wie die Palabirne oder die Vinschger Marille, aber auch Getreide und Kräuter angebaut.
Die andere Hälfte der Südtiroler Höfe halten Vieh, meist Rinder, deren Milch zu hochqualitativen Milcherzeugnissen weiterverarbeitet wird. Der Erfolg der Südtiroler Milch ist erstaunlicherweise vor allem auf Familienbetriebe zurückzuführen, die durchschnittlich nur etwa 15 Kühe halten. Auch in der Viehwirtschaft werden vermehrt alte Rassen wie das Villnösser Brillenschaf wieder neu entdeckt.
Almen in Südtirol
Alpen, Almen oder auch Alben haben in den Bergen eine lange Tradition. Die Almen sind sozusagen die Sommerfrische für das Vieh, also in den Sommermonaten genutzte Bergweiden, aber auch die dazugehörigen Gebäude, sprich Ställe und andere Infrastruktur. Knapp die Hälfte des Gesamtbestandes an Tieren wird im Frühsommer auf die Almen getrieben, wo sie dann rund 100 Tage verbringen.
Der Begriff Alm wird teils aber auch nur für das Gebäude, also die Almhütte, verwendet. Die Almbewirtschaftung in Form von Jausenstationen ist für die Bauern oft eine zusätzliche Einnahmequelle. Diese Saison-Almen sind traditionell direkt in den Almbetrieb eingebunden. Hier kann man einkehren und die meist selbst hergestellten Lebensmittel verkosten – gerade für Wanderer eine willkommene Raststation. Almhütten, die auch Übernachtungsmöglichkeiten anbieten, ermöglichen es, Wandertouren von mehreren Tagen in den Bergen zu unternehmen. Zu den traditionellen Betrieben auf einer Alm gehört z. B. die Sennerei, also die alpine Milchwirtschaft. Hier werden Produkte wie der typische Almkäse, aber auch Butter und verschiedene Sorten von Quark, Buttermilch etc. hergestellt.
Viele Almhütten werden auch ganzjährig bewirtet, also sowohl in der winterlichen Skisaison als auch in der sommerlichen Wandersaison. Die Viehwirtschaft spielt dann zumeist nur noch eine untergeordnete Rolle.
In Südtirol gibt es ca. 1.800 Almen, wobei der Großteil davon oberhalb der Baumgrenze liegt. Auch die größte Hochalm Europas findet sich in Südtirol – die berühmte Seiser Alm. Diese hat eine Größe von 56 km² und liegt auf einer Höhe von 1.680 m bis 2.350 m in den Südtiroler Dolomiten. Seit 2009 gehören Teile der Dolomiten zum UNESCO „Welterbe Dolomiten“. Wer auf der Seiser Alm zu einer Wanderung aufbricht, wird mit einem Blick auf den Rosengarten und den Schlern belohnt. Der Schlern ist aufgrund seiner charakteristischen Form unverkennbar und gilt als das Wahrzeichen Südtirols.
Bäuerliches Handwerk
Das Handwerk ist natürlich aus dem Leben der Bauernfamilien nicht wegzudenken. Vor allem in den Wintermonaten, von November bis März, wenn die Felder brach liegen, wurde in den Bauernstuben fleißig gewerkelt. Aus natürlichen Rohstoffen wie z. B. Holz, Schafwolle oder auch Heu werden noch heute qualitativ hochwertige Handarbeiten hergestellt. Fast 45% der Südtiroler Landfläche ist mit Wald bedeckt – der wertvolle Rohstoff Holz ist somit zuhauf vorhanden. Lesen Sie hier mehr zu den vielfältigen Produkten, die in Südtirol aus diesem einzigartigen Material gefertigt werden.
Ein weiterer wichtiger Rohstoff in der Südtiroler Handwerkskunst ist die Schafwolle. Knapp 30.000 Schafe liefern dazu das Material, das u. a. zu Schuhen und Pantoffeln weiterverarbeitet wird. Neben dem berühmten Sarner Jangger (Wolljacke) und den Sarner Toppar (Filzpantoffeln) werden auch viele andere Produkte aus dem kostbaren Rohstoff hergestellt. Webereien und Tuchfabriken stellen hochwertige Lodenstoffe her und im Ahrntal wurde die Kunst des Klöppelns perfektioniert. Diese kunstvolle Art der Spitzenherstellung wird für zierende Spitzendeckchen sowie für die farbenfrohen Südtiroler Trachten verwendet.
Unsere Heukissen werden mit Bergheu aus dem Passeiertal gefüllt. Die Almwiesen werden von Bauer Walter und seiner Familie gepflegt und nachhaltig bewirtschaftet. Zu den Bergheukissen.
Eines haben dabei alle Produkte gemein: Es werden lokale Naturmaterialien verwendet, die es so schon seit hunderten von Jahren in Südtirol gibt. Der Verkauf des bäuerlichen Handwerks ist für viele Bauern eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle.
Urlaub auf dem Bauernhof und sanfter Tourismus
Eine weitere zusätzliche Einnahmequelle für die Bauern ist der „Urlaub auf dem Bauernhof“. In den 60er und 70er Jahren, als der Tourismus in Südtirol so richtig in Fahrt kam, haben viele Familien auf den Höfen einige Zimmer für Gäste umgebaut. Das Konzept ist ein Erfolgsgeschäft: Die Besucher können in das bäuerliche Leben eintauchen und sich sowohl in der Ruhe der Natur entspannen als auch die Arbeit auf dem Feld oder im Stall kennenlernen. Daneben gibt es natürlich alle möglichen regionalen und selbst hergestellten Köstlichkeiten zu probieren.
Der Urlaub auf dem Bauernhof passt perfekt in das Konzept des sanften und nachhaltigen Tourismus, auf den Südtirol seit vielen Jahren setzt. Man ist überzeugt davon, dass Tourismus nicht automatisch Schäden für Umwelt und Klima mit sich bringen muss. Die stark steigende Anzahl an Touristen im beliebten Urlaubsland Südtirol brachten der Region zusätzliche Arbeitsplätze und ein Wirtschaftswachstum, von dem Südtirol heute noch maßgeblich profitiert. Dennoch wurde schnell auch klar, dass die Natur, die schlussendlich einer der Hauptgründe für Reisen nach Südtirol ist, geschützt werden muss. Der Trend geht daher zu Ökohotels und kleinen Privatbetrieben statt großen Hotelketten mit all-inclusive Angeboten. Auch die Mobilität wurde in die Überlegungen zum nachhaltigen Tourismus einbezogen: Der öffentliche Nahverkehr wurde stark ausgebaut, sodass beliebte Wander- und Skigebiete bequem mit dem Bus oder der Bahn erreicht werden können. Daneben wird durch ein gut ausgebautes Netzwerk an Radwegen das für Freizeit und Erholung immer beliebter werdende Fahrradfahren in das touristische Erlebnis integriert.
Jungbauern und innovative Ideen
Der gesunde Ausgleich zwischen Moderne und Tradition wird auch von den jungen Südtiroler Bauern mitgetragen. Viele Jungbauern entscheiden sich ganz bewusst dazu, den elterlichen Hof zu übernehmen. Davor aber haben sie im Ausland studiert, die Welt bereist und viele Eindrücke und Ideen gesammelt. Da werden schon mal Artischocken im Passeiertal angebaut oder gar aus lokal angebauten Indianerbananen Saft gepresst. Auch die klassischen Abfallprodukte der Apfelernte werden neu verwertet und z. B. zu Apfelsekt verarbeitet. Und so wird die Tradition des Familienbetriebs fit für die Zukunft.
Quellen und weiterführende Literatur:
Josef Nössing: Landwirtschaft in Südtirol im 20. Jahrhundert. In: http://www.zeitzeugen.it/fileadmin/user_upload/Webbilder_Kunde/Landwirtschaft_in_Su__dtirol_im_20d_2018.pdf [Stand 15.07.2020].
Seiser Alm Marketing: Traumferien in den Dolomiten. In. https://www.seiseralm.it/de/urlaub-in-den-dolomiten.html [Stand 15.07.2020].
Internet Consulting GmbH: Handwerk in Südtirol. In: https://www.suedtirol.com/kultur/handwerk [Stand 15.07.2020].
IDM Südtirol: Bäuerliche Welt in Südtirol. In: https://www.suedtirol.info/de/das-ist-suedtirol/menschen/baeuerliche-welt [Stand 15.07.2020].
Raiffeisenverband Südtirol: Obstgenossenschaften. In: https://www.raiffeisenverband.it/de/genossenschaften/landwirtschaft/obst [Stand 15.07.2020].